Weist die Buchführung eines Unternehmers formelle und materielle
Buchführungsmängel auf, darf das Finanzamt eine Hinzuschätzung vornehmen.
Sofern im konkreten Einzelfall eine Hinzuschätzung im Wege einer
Nachkalkulation oder mit Hilfe der Richtsatzsammlung nicht möglich ist, kann
das Finanzamt eine Hinzuschätzung durch Ansatz eines Unsicherheitszuschlags von
maximal 20 % auf die erklärten Umsätze vornehmen.
Hintergrund: Das Finanzamt ist
zu einer (Hinzu-)Schätzung u.a. dann berechtigt, wenn der Steuerpflichtige
Bücher oder Aufzeichnungen, die er führen müsste, nicht vorlegen kann oder wenn
die Buchführung der Besteuerung wegen Mängeln nicht zugrunde gelegt werden
kann.
Sachverhalt: Der Kläger war Inhaber eines Kiosks, zu dem auch eine
Lotto-Toto-Annahmestelle sowie eine Verkaufsstelle für Nahverkehrstickets
gehörte. Er ermittelte seinen Gewinn durch Bilanzierung. Für seine
Kassenführung nutzte er eine elektronische Registrierkasse; für die Lotto- und
Totoscheine verwendete er eine separate Lottokasse. Im Rahmen einer
Außenprüfung stellte der Prüfer formelle und materielle Buchführungsmängel fest
und schätzte 5 % auf die Umsätze hinzu.
Entscheidung: Das Finanzgericht
Düsseldorf (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
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Die Buchführung war formell
fehlerhaft, weil der Kläger die Anleitungen zur
Kassenbedienung und -programmierung sowie die Programmierungsprotokolle nicht
aufbewahrt hatte. Er konnte auch nicht die Tagesendsummenbons lückenlos
vorlegen. Zudem war die Kassensturzfähigkeit nicht gegeben, weil die
Kassenberichte nicht ordnungsgemäß geführt wurden. -
Die Buchführung enthielt auch materielle
Mängel. So ergaben sich Abweichungen zwischen den einzelnen
Aufzeichnungen und Unstimmigkeiten bei der Abrechnung der
Lottogelder. -
Das Finanzamt war daher zu einer
Hinzuschätzung berechtigt. Eine
Nachkalkulation (sog. innerer Betriebsvergleich) war jedoch nicht möglich, weil
die hierfür erforderlichen Unterlagen wie z.B. Preislisten und detaillierte
Warenumsatzberichte nicht vorhanden waren. Eine Schätzung anhand der in der
sog. Richtsatzsammlung der Finanzverwaltung veröffentlichten Richtsätze (sog.
äußerer Betriebsvergleich) schied ebenfalls aus, weil diese zu einem höheren
Schätzungsergebnis geführt hätte. -
Da weder ein innerer Betriebsvergleich noch ein äußerer
Betriebsvergleich möglich waren, war somit der Ansatz eines
Unsicherheitszuschlags möglich. Dabei ist u.a. das Maß der
Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den
Steuerpflichtigen zu berücksichtigen; die Obergrenze für einen
Unsicherheitszuschlag liegt nach der Rechtsprechung bei 20 %. Der Ansatz eines
Unsicherheitszuschlags von 5 % im Streitfall war nicht zu beanstanden, da es
sich bei dem Kiosk um einen bargeldintensiven Betrieb handelte und sich der
Prozentsatz von 5 % eher am unteren Rande der Bandbreite für einen Zuschlag von
bis zu 20 % bewegte.
Hinweise: Bei der Anwendung der
Richtsatzsammlung, die von der Finanzverwaltung herausgegeben wird, werden die
Rohgewinnaufschlagsätze bzw. Rohgewinnsätze vergleichbarer Betriebe derselben
Branche als Schätzungsgrundlage herangezogen. Allerdings ist derzeit
zweifelhaft, ob die Richtsatzsammlung überhaupt als Schätzungsgrundlage
geeignet ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat deutliche Zweifel in einem derzeit
anhängigen Revisionsverfahren geäußert und das Bundesfinanzministerium
aufgefordert, das Zustandekommen der einzelnen Rohgewinnaufschlagsätze bzw.
Rohgewinnsätze näher zu erläutern.
Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 11.6.2024 – 11 K 2308/19 U;
NWB