Der für eine körperschaftsteuerliche Organschaft erforderliche
		Ergebnisabführungsvertrag (EAV) wird nicht tatsächlich durchgeführt, wenn die
		Abführung des Ergebnisses der Organgesellschaft nur auf einem vorläufigen
		Jahresabschluss beruht, dessen Ergebnis nicht mit dem Ergebnis aufgrund des
		endgültigen Jahresabschlusses identisch ist. Kann der vorläufige
		Jahresabschluss wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
		der Organgesellschaft nicht mehr geändert werden, ist die Organschaft
		rückwirkend nicht anzuerkennen, so dass das Ergebnis der Organgesellschaft von
		Anfang an nicht dem Organträger zugerechnet wird. 
Hintergrund: Bei einer
		körperschaftsteuerlichen Organschaft wird das Ergebnis der Organgesellschaft
		dem Organträger steuerlich zugerechnet und von diesem versteuert. Voraussetzung
		für eine körperschaftsteuerliche Organschaft ist u.a. der Abschluss eines
		Ergebnisabführungsvertrags (EAV) zwischen der Organgesellschaft und dem
		Organträger, mit dem sich die Organgesellschaft verpflichtet, ihren ganzen
		Gewinn an den Organträger abzuführen. Der EAV muss auf mindestens fünf Jahre
		abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt
		werden.
Sachverhalt: Der Kläger war der
		Insolvenzverwalter der H-GmbH, die Alleingesellschafterin der X-GmbH war. Die
		H-GmbH und die X-GmbH hatten im Oktober 2006 einen EAV für die Dauer von fünf
		Zeitjahren geschlossen; in dem EAV hatte sich die X-GmbH verpflichtet, ihren
		gesamten Gewinn für die Dauer von fünf Jahren an die H-GmbH abzuführen. Bis
		einschließlich 2007 führte die X-GmbH ihre Gewinne an die H-GmbH ab. Im März
		2009 beantragte die X-GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zu diesem
		Zeitpunkt hatte sie nur einen vorläufigen Jahresabschluss für 2008 erstellt.
		Das Ergebnis des Jahresabschlusses war noch nicht endgültig, da noch weitere
		Geschäftsvorfälle zu berücksichtigen waren. Der Kläger als Insolvenzverwalter
		machte geltend, dass in den Streitjahren 2006 und 2007 keine
		körperschaftsteuerliche Organschaft anzuerkennen sei. 
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt, verwies die Sache aber
		an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück: 
- 
Zwar ist im Jahr 2006 zunächst wirksam eine
körperschaftsteuerliche Organschaft begründet worden, da die X-GmbH finanziell
in das Unternehmen der H-GmbH eingegliedert war und ein EAV für die gesetzliche
Mindestdauer von fünf Zeitjahren abgeschlossen wurde. - 
Der EAV ist aber über die Mindestdauer von fünf Jahren
nicht tatsächlich durchgeführt worden. Denn
im Jahr 2008 ist nicht das von der X-GmbH tatsächlich erzielte Ergebnis an die
H-GmbH abgeführt worden, sondern nur das Ergebnis, das sich aufgrund des
vorläufigen Jahresabschlusses ergab und das nicht zutreffend war; denn im
vorläufigen Jahresabschluss waren verschiedene Geschäftsvorfälle noch nicht
berücksichtigt worden. - 
Zwar kann die Abführung eines Ergebnisses aufgrund eines
fehlerhaften Jahresabschlusses unter bestimmten Voraussetzungen korrigiert
werden. Im Streitfall ging es jedoch nicht um einen fehlerhaften, endgültigen
Jahresabschluss, sondern um einen lediglich vorläufig erstellten
Jahresabschluss, so dass die Korrekturmöglichkeit nicht bestand. - 
Die tatsächliche Nichtdurchführung des EAV führt dazu, dass
die körperschaftsteuerliche Organschaft rückwirkend nicht
anzuerkennen ist, also auch nicht in den Streitjahren 2006
und 2007. Das von der X-GmbH erzielte Ergebnis muss daher von dieser selbst
versteuert werden – und nicht von der H-GmbH. Allerdings muss das FG die
genaue Berechnung durchführen. 
Hinweise: Die Nichtdurchführung
		eines EAV innerhalb des Fünfjahreszeitraums ist steuerlich unschädlich, wenn
		der EAV aufgrund eines wichtigen Grundes gekündigt worden ist. Im Streitfall
		ging es aber nicht um eine Kündigung. 
Der BFH macht deutlich, dass es nicht darauf ankommt, ob und in
		welchem Umfang der Steuerpflichtige auf die Erfüllung des EAV selbst Einfluss
		nehmen kann oder ob er aufgrund einer Insolvenz rechtlich an der Erfüllung
		gehindert war. 
Der Insolvenzverwalter versprach sich von der Klage eine Mehrung
		der Insolvenzmasse bei der X-GmbH. 
Quelle: BFH, Urteil v. 2.11.2022
		– I R 29/19; NWB
					