Zur Frage der Aussetzung der Vollziehung von Säumniszuschlägen
liegt eine weitere Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor: Der VIII. Senat
des BFH hält es für denkbar, dass der Säumniszuschlag in Höhe von 1 % pro Monat
bzw. 12 % pro Jahr verfassungswidrig ist. Die Rechtsprechung des BFH bleibt
damit in dieser Frage uneinheitlich, da die einzelnen Senate des BFH
unterschiedlich über eine Aussetzung der Vollziehung entscheiden.
Hintergrund: Säumniszuschläge
entstehen bei einer verspäteten Zahlung. Sie belaufen sich auf 1 % pro
angefangenen Monat, d.h. auf 12 % pro Jahr. Nach allgemeinem Verständnis dienen
Säumniszuschläge sowohl als Druckmittel als auch als Gegenleistung für die
verspätete Zahlung; sie enthalten also einen Zinsanteil. Weiterhin sollen sie
den Verwaltungsaufwand des Finanzamts bei der Verwaltung der fälligen Zahlung
abdecken. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im letzten Jahr die Höhe
des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für
verfassungswidrig erklärt. Damit stellt sich die Frage, ob der in den
Säumniszuschlägen enthaltene Zinsanteil ebenfalls überhöht ist und zur
Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge führt.
Sachverhalt: Die Antragsteller
zahlten die Einkommensteuer 2019 sowie die Einkommensteuervorauszahlung für das
I. Quartal 2021 verspätet und schuldeten daher Säumniszuschläge. Sie
beantragten einen Abrechnungsbescheid, in dem die Säumniszuschläge in der
gesetzlichen Höhe von 1 % monatlich ausgewiesen wurden, legten hiergegen
Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung des
Abrechnungsbescheids.
Entscheidung: Der VIII. Senat
des Bundesfinanzhofs (BFH) hielt eine Aussetzung der Vollziehung des
Abrechnungsbescheids für gerechtfertigt:
-
Im Säumniszuschlag ist ein Zinsanteil enthalten. Nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist der Zinssatz von 6 % bei
Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume seit dem 1.1.2019
verfassungswidrig. Diese Begründung könnte auch für den in den
Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteil gelten. Es bleibt daher den
Hauptsacheverfahren vorbehalten zu klären, ob der Säumniszuschlag aufgrund
eines verfassungswidrig überhöhten Zinsanteils verfassungswidrig ist. Dabei
wird auch zu klären sein, ob es relevant ist und für die Verfassungsmäßigkeit
spricht, dass der Steuerpflichtige die Verwirkung von Säumniszuschlägen durch
rechtzeitige Zahlung vermeiden kann. -
Zwar wird in der Rechtsprechung häufig ein sog. besonderes
Aussetzungsinteresse verlangt, wenn im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die
Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung geltend gemacht wird. Auf
diese Weise soll verhindert werden, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen
des Haushalts kommt, wenn die Aussetzung der Vollziehung flächendeckend
ausgesprochen wird. Im Streitfall ist aber ein etwaiges besonderes
Aussetzungsinteresse jedenfalls zu bejahen. Zum einen sind die Bedenken gegen
die Verfassungsmäßigkeit des Säumniszuschlags von hinreichendem Gewicht. Zum
anderen hat das Finanzamt nicht dargelegt, dass das öffentliche Interesse an
einer geordneten Haushaltsführung im Fall einer Aussetzung der Vollziehung von
Säumniszuschlägen berührt sein könnte.
Hinweise: Ein weiterer Senat des
BFH hat ebenfalls Aussetzung der Vollziehung gewährt, ein anderer Senat hat
aber jüngst die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Die abschließende
Entscheidung über eine mögliche Verfassungswidrigkeit obliegt dem BVerfG.
Bis dahin kann es ratsam sein, zumindest einen Abrechnungsbescheid
zu beantragen, in dem die Säumniszuschläge ausgewiesen werden, und hiergegen
Einspruch einzulegen. Auf diese Weise wird das Verfahren offengehalten, bis
eines Tages das BVerfG über die mögliche Verfassungswidrigkeit entscheidet.
Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nur dann
erforderlich, wenn Sie die Säumniszuschläge vorläufig nicht bezahlen wollen. In
dieser Frage ist die Rechtsprechung des BFH uneinheitlich, so dass im Zweifel
der Rechtsweg erneut beschritten werden muss, falls das Finanzamt eine
Aussetzung der Vollziehung ablehnt.
Quelle: BFH, Beschluss v. 11.11.2022 – VIII B 64/22;
NWB