Hängt die Wirksamkeit eines vor Ablauf der zehnjährigen
Spekulationsfrist geschlossenen Verkaufsvertrags über eine Immobilie von der
Erteilung einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung ab, ist die Steuerpflicht zu
bejahen, wenn die Genehmigung zwar erst nach Ablauf der Spekulationsfrist
erteilt wird, sich jedoch keiner der Vertragspartner nach Abschluss des
Vertrags mehr einseitig von dem Kaufvertrag lösen kann.
Hintergrund: Zu den
steuerpflichtigen sonstigen Einkünften gehören auch sog. Spekulationsgewinne.
Ein Spekulationsgewinn ist bei einer Immobilie steuerpflichtig, wenn der
Zeitraum zwischen Anschaffung und Verkauf nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
Sachverhalt: Der Kläger und seine Ehefrau kauften am 7.1.2003 eine
Immobilie, die in einem sog. Sanierungsgebiet lag. Sie verkauften die Immobilie
mit Kaufvertrag vom 27.12.2012; allerdings war für den Verkauf eine
sanierungsrechtliche Genehmigung erforderlich, die erst am 5.2.2013 erteilt
wurde. Der Gewinn aus dem Verkauf betrug ca. 203.000 €, den das
Finanzamt als steuerpflichtigen Spekulationsgewinn ansah.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
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Eine steuerlich relevante Anschaffung und Veräußerung liegen
vor, wenn die Vertragserklärungen beider Vertragsparteien innerhalb des
zehnjährigen Zeitraums bindend abgegeben worden sind. Denn damit sind die
Voraussetzungen für die Realisierung der Wertsteigerung geschaffen worden. -
Im Streitfall war für die Wirksamkeit des Verkaufsvertrags
zwar noch eine Sanierungsgenehmigung erforderlich. Bis zur Erteilung dieser
Genehmigung war der Verkaufsvertrag schwebend unwirksam. Erst mit der Erteilung
wurde der Verkaufsvertrag rückwirkend wirksam; bei Versagung der Erteilung wäre
der Verkaufsvertrag endgültig unwirksam geworden. -
Trotz der schwebenden Unwirksamkeit bei Ablauf der
Spekulationsfrist genügt es für die Steuerpflicht, dass sich die
Vertragspartner vor Ablauf der Spekulationsfrist gebunden haben und sich nicht
mehr einseitig vom Vertrag lösen können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die
Genehmigung keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Willenserklärungen oder auf
den Vertragsinhalt hat, sondern Zwecke verfolgt, die außerhalb des Vertrags
liegen wie z.B. den Ablauf der Sanierung im Sanierungsgebiet. -
Im Streitfall ist der Verkauf der Immobilie innerhalb von zehn
Jahren nach der Anschaffung erfolgt. Angeschafft wurde die Immobilie am
7.1.2003, verkauft wurde sie am 27.12.2012. Denn am 27.12.2012 hatten sich die
Vertragspartner gebunden und konnten sich vom Vertrag nicht mehr einseitig
lösen. Es ist daher unbeachtlich, dass die Genehmigung erst nach Ablauf der
zehnjährigen Spekulationsfrist erteilt worden ist.
Hinweis: Der BFH sieht es als
irrelevant an, dass die Vertragspartner noch bis zur Erteilung der Genehmigung
einen Aufhebungsvertrag hätten schließen können; denn dies wäre keine
einseitige Loslösung vom Vertrag gewesen.
Ein steuerpflichtiger Spekulationsgewinn wäre hingegen nicht
entstanden, wenn es nur eine einseitige Bindung an den Vertrag gegeben hätte.
Eine einseitige Bindung besteht z.B. bei einem einseitigen Angebot, einem Kauf
auf Probe oder bei einem Abschluss des Vertrags durch einen Vertreter ohne
Vertretungsmacht. In einem solchen Fall können die Vertragspartner nicht davon
ausgehen, dass der Grundstückswert realisiert wird. Hier ist erst dann von
einem Verkauf im Sinne eines Spekulationsgeschäftes auszugehen, wenn das
Angebot angenommen wird, die Immobilie vom Probekäufer gebilligt wird oder der
Kaufvertrag vom Vertretenen genehmigt wird.
BFH, Urteil v. 25.3.2021 – IX R 10/20; NWB