Die Steuerpflicht einer
Kapitalgesellschaft für Streubesitzdividenden bei einer Beteiligungsquote von
weniger als 10 % kann dadurch ausgeschlossen werden, dass die
Kapitalgesellschaft während des laufenden Jahres eine Beteiligung von
mindestens 10 % hinzuerwirbt. Dieser Hinzuerwerb kann auch in mehreren Akten
erfolgen, also durch den Erwerb mehrerer Beteiligungen von mehreren Veräußern,
so dass insgesamt eine Beteiligung von mindestens 10 % hinzuerworben wird. Es
ist nicht erforderlich, dass in einem Erwerbsvorgang eine Beteiligung von
mindestens 10 % erworben wird.

Hintergrund: Erhält eine
Kapitalgesellschaft von einer Tochter-Kapitalgesellschaft eine Dividende, ist
die Dividende steuerfrei; allerdings wird ein Anteil von 5 % als nicht
abziehbare Betriebsausgabe behandelt, so dass im Ergebnis 95 % steuerfrei
bleiben. Die Steuerfreiheit gilt aber nicht bei Streubesitzdividenden bei einer
Beteiligungsquote von weniger als 10 % zu Beginn des Kalenderjahres. Nach dem
Gesetz gilt aber der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Beginn
des Kalenderjahres erfolgt, so dass damit keine Streubesitzdividenden mehr
vorliegen und die Dividenden steuerfrei sind.

Sachverhalt: Eine
Kapitalgesellschaft, die A-GmbH, war mit weniger als 10 % an einer anderen GmbH
beteiligt. Die A-GmbH erwarb im Streitjahr von mehreren Veräußerern in einer
Vertragsurkunde kleinere Anteile von jeweils weniger als 10 % hinzu; in der
Summe ergaben sich aber mindestens 10 %. Das Finanzamt verneinte die
Steuerfreiheit, weil die A-GmbH nicht durch einen Erwerb eine Beteiligung von
mindestens 10 % hinzuerworben habe, sondern die Anteile von mehreren
Veräußerern erworben habe.

Entscheidung: Das
Hessische Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Zwar war die A-GmbH zu Beginn
    des Streitjahres mit weniger als 10 % an den Kapitalgesellschaften beteiligt.
    Sie hat aber im Laufe des Jahres mindestens 10 % hinzuerworben. Dieser
    Hinzuerwerb gilt nach dem Gesetz als zu Beginn des Jahres erfolgt. Damit galt
    sie als zum 1.1. des Streitjahres als mit mindestens 10 % beteiligt, so dass es
    sich nicht um steuerpflichtige Streubesitzdividenden handelte.

  • Unschädlich ist, dass die
    A-GmbH die weiteren 10 % nicht von einem Veräußerer erworben hat, sondern durch
    mehrere Anteilserwerbe von mehreren Veräußerern, wenngleich in derselben
    Vertragsurkunde. Auch ein mehraktiger Erwerb, d.h. ein Erwerb von mehreren
    Veräußerern, kann zu einem Beteiligungserwerb von mindestens 10 % führen.

Hinweise: Das Finanzamt
hat gegen das Urteil Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt.

Die erst im Jahr 2013 eingeführte
Regelung über die Steuerpflicht von Streubesitzdividenden enthält eine Vielzahl
von Zweifelsfragen, u.a. die im Streitfall erhebliche Frage, ob der Hinzuerwerb
von mindestens 10 % in einem Akt erfolgen muss oder aber auch gestückelt
erfolgen kann. Noch nicht geklärt ist, ob eine GmbH, die bislang weniger als 10
% hält, zwecks Vermeidung von steuerpflichtigen Streubesitzdividenden auch eine
Beteiligung von weniger als 10 % hinzuerwerben kann, die zusammen mit ihrer
bisherigen Beteiligung aber eine neue Beteiligung von mindestens 10 % ergibt.
Weiterhin ist offen, ob eine Beteiligung von mehr als 10 % hinzuerworben werden
kann, um Streubesitzdividenden zu vermeiden, die dann aber noch im selben Jahr
wieder veräußert wird.

Auch wenn eine Steuerpflicht für
Streubesitzdividenden im Einzelfall bestehen sollte, ist der Verkauf der
Streubesitzbeteiligung durch eine Kapitalgesellschaft im Ergebnis zu 95 %
steuerfrei und nicht steuerpflichtig.

Hessisches FG, Urteil v. 15.3.2021
– 6 K 1163/17, Rev. beim BFH: Az. I R 16/21; NWB

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