Der Bundesfinanzhof (BFH) verneint die Steuerbarkeit eines
Stipendiums, das ein Arzt in Thüringen dafür erhält, dass er sich verpflichtet,
die Weiterbildung als Facharzt abzuschließen und anschließend vier Jahre lang
in Thüringen als zugelassener Kassenarzt tätig zu sein.
Hintergrund: Zu den
einkommensteuerpflichtigen Einkünften gehören auch sog. sonstige Einkünfte. Zu
den sonstigen Einkünften gehören Einnahmen aus Leistungen, die zu keiner
anderen Einkunftsart wie z.B. Gewerbebetrieb oder nichtselbständiger Arbeit
gehören und die für ein Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines
entgeltlichen Vertrags sein kann, gezahlt werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war
nach ihrem Medizinstudium bei einer Klinik als Ärztin angestellt und begann
2012 eine Ausbildung als Fachärztin. Im Herbst 2012 schloss sie mit dem
Freistaat Thüringen einen sog. Fördervertrag für Ärzte in Weiterbildung zum
Facharzt. Danach erhielt sie einmalig ein Stipendium in Höhe von 15.000
€, wenn sie sich im Gegenzug dazu verpflichtete, nach ihrer
erfolgreichen Weiterbildung zum Facharzt vier Jahre lang als Hausarzt an der
vertragsärztlichen Versorgung in Thüringen tätig zu werden. Sofern sie die
Facharztweiterbildung nicht abschließen oder die vierjährige Tätigkeit als
Facharzt in Thüringen nicht absolvieren würde, war sie zur Rückzahlung in
voller Höhe verpflichtet. Das Finanzamt erfasste den Betrag von 15.000 €
als sonstige Einkünfte.
Entscheidung: Der BFH gab der
hiergegen gerichteten Klage statt:
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Sonstige Einkünfte liegen nur vor, wenn eine Leistung der
Klägerin die Gegenleistung (Stipendium) veranlasst hat. Das Stipendium war aber
nicht durch eine Leistung der Klägerin veranlasst. -
Das Stipendium wurde nämlich nicht für eine vierjährige
Tätigkeit als Ärztin in Thüringen gezahlt, sondern bereits für die Bereitschaft
und Verpflichtung, künftig vier Jahre lang als Ärztin in Thüringen zu arbeiten.
Der Freistaat Thüringen konnte nicht verhindern, dass die Klägerin nach
Abschluss ihrer Facharztausbildung in einem anderen Bundesland tätig wird;
Thüringen hätte in diesem Fall nur eine Rückzahlung des Stipendiums verlangen,
nicht aber einen Schadensersatz- oder Unterlassungsanspruch geltend machen
können. -
Mit seinem Stipendium wollte Thüringen auf die Willensbildung
bei jungen Fachärzten einwirken, sich in Thüringen vertragsärztlich
niederzulassen. Damit nahm die Klägerin jedoch noch nicht am wirtschaftlichen
Geschäftsverkehr teil. Das Stipendium ist daher nicht steuerbar.
Hinweise: Im Gegensatz zum BFH
sieht die Finanzverwaltung in Hessen vergleichbare Einmalzahlungen für
Assistenzärzte als steuerbare sonstige Einkünfte an. Angehende Fach- bzw.
Assistenzärzte können sich nun auf die Entscheidung des BFH berufen und müssen
das Stipendium nicht versteuern. Es kann dennoch ratsam sein, das Stipendium in
der Steuererklärung als nicht steuerbare Einnahme anzugeben, um den Vorwurf
einer unvollständigen Steuererklärung zu vermeiden.
Zu den sonstigen Einkünften gehören hingegen auch weiterhin
Zahlungen für vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbote. Denn die Zahlung
erfolgt dafür, dass der Empfänger es für eine bestimmte Zeit unterlässt, seine
Leistungen zu erbringen. Verstößt er gegen die Vereinbarung, ist er zum
Schadensersatz verpflichtet. Ferner gehören zu den sonstigen Einkünften
Preisgelder, Aufwandspauschalen oder Teilnahmegelder für eine
Fernsehsendung.
BFH, Urteil vom 11.12.2020 – IX R 33/18; NWB