Erhält ein Nachbar, der sich jahrelang um seine über 80-jährige
Nachbarin gekümmert hat, von dieser Nachbarin nach acht Jahren einen
Geldbetrag, unterliegt die Zahlung nicht der Einkommensteuer, weil der Nachbar
aus privaten Motiven tätig geworden ist. Allerdings kann es sich um eine
Schenkung handeln, die Schenkungsteuer auslöst, falls sie über dem Freibetrag
liegt.
Hintergrund: Der Einkommensteuer
unterliegen sieben Einkunftsarten, z.B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder
sonstige Einkünfte. Nicht jeder Vermögenszuwachs ist einkommensteuerbar,
sondern nur dann, wenn die Tätigkeit unter eine der sieben Einkunftsarten
fällt.
Sachverhalt: Der Kläger kümmerte
sich seit 2006 um seine damals 81 Jahre alte Nachbarin S, indem er ihre
schriftlichen Angelegenheiten erledigte, sie besuchte und gelegentlich auch
Haushaltsgegenstände wie z.B. einen Fernseher einkaufte. S erteilte dem Kläger
2006 eine Vorsorgevollmacht und bestimmte den Kläger für den Fall, dass eine
rechtliche Betreuung erforderlich werden sollte, zum Betreuer. Im Jahr 2014
traf S mit dem Kläger eine sog. Vergütungsvereinbarung, nach der beide im Jahr
2006 Verträge abgeschlossen hätten und nunmehr eine rückwirkende Vergütung ab
2006 in Höhe von 50 € monatlich und ab 2016 in Höhe von 60 €
monatlich für den Kläger vereinbart und gezahlt werde. Der Kläger erhielt
daraufhin 5.000 €, die das Finanzamt als selbständige Einkünfte
besteuerte, weil der Kläger als Betreuer tätig geworden sei.
Entscheidung: Das
Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab der Klage statt:
-
Die Tätigkeit des Klägers für seine Nachbarin S fiel unter
keine der sieben Einkunftsarten. Der Kläger erzielte keine selbständigen
Einkünfte, da er nicht als Berufsbetreuer tätig war. Steuerlich erfasst werden
nämlich nur die vom Betreuungsgericht bestellten
Betreuer. -
Der Kläger hat auch keine sonstigen Einkünfte erzielt. Hierzu
zählt jede Tätigkeit, die Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und
zu einer Gegenleistung führt; es muss sich aber um ein erwerbswirtschaftliches
Verhalten handeln. -
Nicht zu den sonstigen Einkünften führen Tätigkeiten, die
nicht erwerbswirtschaftlich, sondern aus privaten Motiven ausgeübt werden, z.B.
im Rahmen einer Lebensgemeinschaft oder zur Unterstützung pflegebedürftiger
Angehöriger. Dies war im Streitfall gegeben: Der Kläger und seine Ehefrau
kannten die S bereits seit 1972 und waren mit ihr persönlich verbunden. Die
Bemühungen des Klägers gingen nicht über das hinaus, was üblicherweise im
Rahmen einer guten Nachbarschaft unentgeltlich erledigt wird. -
Unschädlich ist, dass es im Streitjahr 2014 zu einer
nachträglichen Bezahlung kam. Denn es sind keine konkreten Leistungen
erkennbar, für die der Kläger bezahlt worden sein soll. Insbesondere die
Vorsorgevollmacht und die Betreuungsverfügung stellen keine zivilrechtlichen
Verträge dar, und konkrete Betreuungsleistungen im rechtlichen Sinne sind nicht
angefallen.
Hinweise: Das FG hält es für
denkbar, dass die Zahlung der 5.000 € eine Schenkung darstellte.
Eine Schenkung in dieser Höhe wäre aber steuerfrei, weil sie unter dem
Freibetrag von 20.000 € liegt.
Im Übrigen zeigt das Urteil, dass nachbarschaftliche Hilfe ebenso
wie freundschaftliche oder familiäre Hilfe nicht zwingend steuerbar ist, auch
wenn sich die unterstützte Person später erkenntlich zeigt. Allerdings sollte
von „Vergütungsvereinbarungen“ Abstand genommen werden, da dies eine –
unnötige – Steilvorlage für das Finanzamt ist, weil der Begriff der
Vergütungsvereinbarung auf eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit hindeutet.
BFH, Urteil vom 26.6.2019 – 9 K 101/18; NWB