Die Einspruchsfrist beträgt ein Jahr, wenn die
Rechtsbehelfsbelehrung im Steuerbescheid falsch ist, weil auf die Möglichkeit
einer Einlegung des Einspruchs per E-Mail nicht hingewiesen wird.
Außerdem hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass bei der
Prüfung, ob die bis einschließlich 2014 geltende Freigrenze von
110 € für die Teilnahme an einer Betriebsveranstaltung
überschritten wird, solche Personen, die mit der Organisation beauftragt sind
und nicht zur Belegschaft gehören, nicht zu den Teilnehmern gehören, auf die
die Gesamtkosten aufgeteilt werden; jedoch sind die Gesamtkosten um die
Aufwendungen, die auf die mit der Organisation betrauten Personen entfallen, zu
mindern.
Hintergrund 1:
Rechtsbehelfsbelehrungen müssen richtig erteilt werden, damit die einmonatige
Einspruchsfrist in Gang gesetzt wird; anderenfalls gilt eine Einspruchsfrist
von 1 Jahr.
Hintergrund 2: Nach der bis
einschließlich 2014 geltenden Rechtslage war die Teilnahme eines Arbeitnehmers
an einer Betriebsveranstaltung steuerfrei, wenn der auf den Arbeitnehmer
entfallende Anteil der Kosten für das Essen, die Getränke und die Musik nicht
höher als 110 € war. Wurde dieser Betrag überschritten, war der gesamte
Betrag (anders als nach der derzeit geltenden Regelung) lohnsteuerpflichtig.
Sachverhalt: Die Klägerin war
Arbeitgeberin und veranstaltete im Jahr 2011 ein Mitarbeiterfest, an dem 592
Arbeitnehmer teilnahmen. Außerdem nahmen noch vier betriebsfremde Personen
teil, die mit der Organisation des Festes beschäftigt waren. Die Klägerin ging
davon aus, dass die Freigrenze von 110 € nicht überschritten sei,
während der Betriebsprüfer zu einer Überschreitung der Freigrenze gelangte. Das
Finanzamt erließ am 29.10.2013 einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid, wies
aber in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids nicht darauf hin, dass ein
Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden kann. Die Klägerin legte innerhalb
eines Monats zwar schriftlich Einspruch ein, übersandte den Einspruch aber an
ein unzuständiges Finanzamt, das den Einspruch an das zuständige Finanzamt
weiterleitete, bei dem er erst nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist
einging. Im anschließenden Klageverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage
statt, weil nach seiner Berechnung die Freigrenze von 110 € nicht
überschritten worden sei; bei seiner Berechnung teilte das FG die Gesamtkosten
des Festes auf 596 Personen auf, nämlich auf 592 Arbeitnehmer sowie auf die
vier mit der Organisation betrauten Personen.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das FG zurück:
-
Der Einspruch gegen den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid war
zulässig. Zwar ist der Einspruch nicht innerhalb der einmonatigen
Einspruchsfrist beim zuständigen Finanzamt eingegangen. Jedoch galt im
Streitfall eine einjährige Einspruchsfrist statt der einmonatigen
Einspruchsfrist, weil die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig war. Denn es fehlte
der Hinweis, dass ein Einspruch auch elektronisch, d.h. per E-Mail, eingelegt
werden kann. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthielt nur den Hinweis auf die
Möglichkeit, den Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen. -
Hinsichtlich des geldwerten Vorteils aus der Teilnahme der
Arbeitnehmer an dem Betriebsfest war die Berechnung des FG nicht zutreffend, da
es die Gesamtkosten durch 596 Teilnehmer und nicht durch 592 Teilnehmer geteilt
hat. Zu Unrecht hat es nämlich auch die vier Teilnehmer einbezogen, die
lediglich mit der Organisation des Festes beschäftigt waren und nicht zur
Belegschaft gehörten. Hierdurch ergibt sich ein etwas höherer Betrag pro
Arbeitnehmer, den das FG noch ermitteln muss. -
Im Gegenzug muss es aber die Gesamtkosten und die Aufwendungen
mindern, die auf die vier Personen entfallen, die mit der Organisation
beschäftigt waren; denn die Aufwendungen für diese vier Personen haben die
Arbeitnehmer nicht bereichert.
Hinweise: Seit 2015 hat sich die
Rechtslage für Betriebsveranstaltungen geändert. Nunmehr gehen auch die
Organisationskosten in die Bemessungsgrundlage ein, z.B. die Kosten für die
Veranstaltungsagentur. Zudem ist ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass die auf
die Begleitperson entfallenden Aufwendungen dem jeweiligen Arbeitnehmer
zuzurechnen sind. Dies ist für Arbeitnehmer nachteilig. Vorteilhaft ist aber,
dass seit 2015 die bisherige Freigrenze von 110 € durch einen Freibetrag
von 110 € ersetzt worden; entfallen auf den Arbeitnehmer Kosten in
Höhe von 120 €, muss er nach neuer Rechtslage lediglich
10 € versteuern, während er nach früherer Rechtslage
120 € hätte versteuern müssen, weil die Freigrenze überschritten
worden war.
Der Grund für die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung im Streitfall
dürfte darin zu finden sein, dass das Gesetz zum 1.8.2013 geändert worden war,
indem nunmehr auch die elektronische Einlegung des Einspruchs per E-Mail
ausdrücklich zugelassen wurde, und dass das Finanzamt bei Erlass des Bescheids
im Oktober 2013 wohl noch eine alte Rechtsbehelfsbelehrung verwendet hat.
BFH, Urteil v. 28.4.2020 – VI R 41/17; NWB