Wird ein umsatzsteuerpflichtig und
umsatzsteuerfrei genutztes Gebäude in mehreren Abschnitten errichtet und
jeweils in Gebrauch genommen, ist die Frage der Vorsteuerberichtigung anhand
des einzelnen in Gebrauch genommenen Gebäudeabschnitts zu prüfen und nicht
anhand des Gesamtgebäudes. Es gibt daher unterschiedliche
Berichtigungszeiträume. Zudem ist die bei der
Vorsteuerberichtigung zu beachtende Bagatellgrenze bezogen auf den einzelnen
fertiggestellten und in Gebrauch genommenen Bauabschnitt zu prüfen.
Hintergrund: Die
Vorsteuer ist zu berichtigen, wenn sich innerhalb des Berichtigungszeitraums
die Verhältnisse ändern, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblich
waren. Für Gebäude gilt ein zehnjähriger Berichtigungszeitraum, so dass der
Unternehmer Vorsteuer im Wege der Berichtigung zurückzahlen muss, wenn er statt
der geplanten umsatzsteuerpflichtigen Vermietung im Umfang von 60 % nur im
Umfang von 40 % umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt. Dabei ist eine
Bagatellgrenze zu beachten: Die Berichtigung unterbleibt, wenn sich die
Verhältnisse um weniger als zehn Prozentpunkte ändern, es sei denn, der
jährliche Berichtigungsbetrag beläuft sich auf mehr als 1.000 €.
Sachverhalt: Der Kläger
betrieb ein Weingut. Er errichtete hierauf ein gemischt-genutztes Wohnhaus in
zwei Bauabschnitten, stellte 2008 Unter- und Erdgeschoss sowie einen Teil des
Obergeschosses fertig und nahm das Unter- und Erdgeschoss in Betrieb, wobei er
es zum Teil umsatzsteuerfrei nutzte. Erst 2013 stellte er das Obergeschoss
fertig. Das Gebäude ordnete er seinem Unternehmen zu und ging von
umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen im Umfang von 85,65 % aus; daher zog er die
Vorsteuer aus den Herstellungskosten zu 85,65 % ab. Im Rahmen einer
Betriebsprüfung ermittelte der Prüfer einen Anteil von 74,70 %
umsatzsteuerpflichtiger Umsätze, also 10,95 Prozentpunkte weniger; hierbei
legte der Prüfer als Berichtigungsobjekt nur das im Jahr 2008 fertiggestellte
und Unter- und Erdgeschoss und damit den zuerst fertiggestellten Bauabschnitt
zugrunde. Der Prüfer ermittelte so einen jährlichen Berichtigungsbetrag für die
Vorsteuer in Höhe von ca. 600 €. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage
statt, weil es nicht auf die Nutzung des Unter- und Erdgeschosses abstellte,
sondern auf das gesamte Gebäude; hierdurch kam es zur Anwendung der
Bagatellgrenze.
Entscheidung: Der BFH
verwies die Sache an das FG zur weiteren Aufklärung zurück:
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Eine Vorsteuerberichtigung
setzt voraus, dass sich die Verhältnisse, die für den ursprünglichen
Vorsteuerabzug maßgeblich waren, im Berichtigungszeitraum – bei
Immobilien: zehn Jahre – geändert haben. Die Änderung muss sich auf das
sog. Berichtigungsobjekt beziehen. Dies ist bei einer Immobilie grundsätzlich
das gesamte Gebäude, weil das Gesetz auf das Grundstück einschließlich ihrer
wesentlichen Bestandteile, d.h. die Gebäude, abstellt. -
Allerdings stellt der
Gesetzgeber für die Vorsteuerberichtigung auch darauf ab, dass das
Wirtschaftsgut „verwendet“ wird. Daher kommt als
Berichtigungsobjekt das Gebäude nur insoweit in Betracht, als es bereits
verwendet wird. Bei einer Errichtung und Nutzung in Bauabschnitten, z.B.
Geschossen, ist also der einzelne Bauabschnitt das Berichtigungsobjekt. -
Der BFH hat den Fall nun an
das FG zurückverwiesen, damit es die Vorsteuerberichtigung bezüglich des Unter-
und Erdgeschosses prüfen kann. Dabei muss es auch prüfen, ob die Bagatellgrenze
greift, die verlangt, dass eine Änderung der Verhältnisse bezüglich des Unter-
und Erdgeschosses im Umfang von mindestens zehn Prozentpunkten eingetreten ist,
es sei denn, der jährliche Berichtigungsbetrag beläuft sich auf mehr als 1.000
€.
Hinweise: Der BFH folgt
der Auffassung der Finanzverwaltung. Es kommt also nicht auf das Gesamtgebäude
an, wenn die einzelnen Gebäudeabschnitte nacheinander in Betrieb genommen
werden. Berichtigungsobjekt ist dann der einzelne Bauabschnitt. Dies hat zum
einen Bedeutung für die Anwendung der Bagatellgrenze, zum anderen aber auch für
die Anzahl der Berichtigungszeiträume, da für jeden einzelnen Bauabschnitt, der
in Betrieb genommen wird, ein eigener Berichtigungszeitraum gilt.
BFH, Urteil v. 29.4.2020 – XI
R 14/19; NWB