Eine Ärztin, die in ihrem privaten Einfamilienhaus einen Kellerraum
als Notfallpraxis eingerichtet hat, um außerhalb der Öffnungszeiten ihrer
außerhäuslichen Arztpraxis Patienten in Notfällen versorgen zu können, kann die
Kosten für ihre Notfallpraxis unbeschränkt absetzen. Die gesetzliche
Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer greift nämlich nicht, wenn eine
private Mitbenutzung der häuslichen Notfallpraxis aufgrund der medizinischen
Ausstattung des Raumes ausgeschlossen ist.
Hintergrund: Die Kosten für
häusliche Arbeitszimmer sind nur unter bestimmten Voraussetzungen absetzbar.
Voraussetzung für den Abzug ist insbesondere, dass für die betriebliche oder
berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht – der
Abzug ist dann auf 1.250 € beschränkt – oder dass das
Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen
Betätigung bildet; in dem zuletzt genannten Fall ist der Abzug unbeschränkt
möglich.
Sachverhalt: Die Klägerin
betrieb zusammen mit anderen Ärzten eine Augenarztpraxis in der Rechtsform
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), und zwar außerhalb ihres eigenen
Hauses. In ihrem eigenen Einfamilienhaus hatte die Klägerin im Keller eine sog.
Notfallpraxis eingerichtet. Der Kellerraum war mit einer Liege, einer
Spaltlampe, einer Sehtafel, einem Medizinschrank mit medizinischen Instrumenten
und einem kleinen Tisch zum Ausstellen von Rezepten ausgestattet. Der
Kellerraum konnte nur über zwei private Flure des Hauses betreten werden. In
den Streitjahren 2010 bis 2012 führte die Klägerin 147 Notfallbehandlungen in
dem Kellerraum durch. Sie machte die Kosten für diesen Raum als
Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der Gewinnfeststellungserklärung der GbR
geltend. Das Finanzamt erkannte die Kosten wegen der gesetzlichen
Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer nicht an.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) sah die Notfallpraxis nicht als häusliches Arbeitszimmer
an und gab der Klage statt:
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Die gesetzliche Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer
setzt ein häusliches Arbeitszimmer voraus, also einen Raum, der nach seiner
Ausstattung, seiner Lage und Funktion in die häusliche Sphäre des
Steuerpflichtigen eingebunden ist und in dem vorwiegend gedankliche,
schriftliche, verwaltungstechnische oder organisatorische Arbeiten erledigt
werden. Ein häusliches Arbeitszimmer ist typischerweise mit Büromöbeln,
insbesondere mit einem Schreibtisch, eingerichtet. -
Ist der Raum, der betrieblich oder beruflich genutzt wird,
nicht als häusliches Arbeitszimmer einzustufen, handelt es sich um eine
Betriebsstätte, deren Kosten unbeschränkt absetzbar sind. -
Eine häusliche Notfallpraxis stellt kein häusliches
Arbeitszimmer dar, da es sich nicht um ein typisches Arbeitszimmer handelt und
wenn aufgrund der Ausstattung und der Zugänglichkeit für Dritte eine private
Mitbenutzung ausgeschlossen werden kann. Im Streitfall war die Notfallpraxis
als ärztliches Behandlungszimmer ausgestattet und ermöglichte
keine private Benutzung. Die Klägerin hat tatsächlich auch
147 Notfallbehandlungen in den drei Streitjahren durchgeführt. Unschädlich ist,
dass die Patienten den privaten Bereich des Hauses, nämlich zwei Flure,
betreten mussten, um zu der Notfallpraxis zu gelangen. Denn der Notfallraum war
aufgrund seiner Ausstattung nicht privat nutzbar.
Hinweise: Ist der häusliche
Raum, der beruflich oder betrieblich genutzt wird, kein typisches
Arbeitszimmer, wird geprüft, ob angesichts der Ausstattung oder der
Zugänglichkeit für Dritte eine private Mitbenutzung ausgeschlossen ist. Sobald
Dritte auch private Räume des Hauses betreten müssen, um den beruflich
genutzten Raum zu erreichen, spricht dies an sich gegen den Abzug der Kosten
als Betriebsausgaben, da der Raum dann für Dritte nicht leicht zugänglich ist.
Anders zu beurteilen war dies aber im Streitfall, weil angesichts der
Ausstattung des Kellerraums als Notfallpraxis ausgeschlossen war, dass der
Kellerraum privat mitbenutzt wird.
Für die Praxis ist es empfehlenswert, die konkrete betriebliche
oder berufliche Nutzung des Raumes zu dokumentieren, wie dies auch die Klägerin
gemacht hatte.
BFH, Urteil vom 29.1.2020 – VIII R 11/17; NWB