Der Verlust aus einem Aktienverlust
im Rahmen eines Insolvenzplans, bei dem die Aktien ohne Entschädigung
eingezogen werden und der Aktionär an der anschließenden Kapitalerhöhung nicht
teilnehmen darf, ist steuerlich dem Grunde nach absetzbar.

Hintergrund: Seit der
Einführung der Abgeltungsteuer bei Einkünften aus Kapitalvermögen können auch
Verluste des eingesetzten Vermögens steuerlich geltend gemacht werden, z. B.
ein Verlust aus dem Verkauf von Aktien. Es werden also alle Wertveränderungen
– und damit auch negative – steuerlich erfasst.

Sachverhalt: Die Klägerin
war eine Depotgemeinschaft, die in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt 39.000
Aktien der A-AG zum Preis von ca. 36.000 € erworben hatte. Noch im Jahr
2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-AG eröffnet und ein
Insolvenzplan aufgestellt. Das Kapital der A-AG wurde zunächst auf Null
herabgesetzt, und die Aktien der Aktionäre wurden ohne Entschädigung
eingezogen. Anschließend wurde das Kapital erhöht. An der Kapitalerhöhung
durften die bisherigen Aktionäre nicht teilnehmen, da ihr Bezugsrecht
ausgeschlossen wurde; nur der Gläubiger der A-AG erwarb die neuen Aktien. Die
Bank, bei der das Depot der Klägerin geführt wurde, buchte die Aktien als
wertlos aus. Die Klägerin machte einen Verlust von 36.000 € bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen in ihrer Feststellungserklärung geltend.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Die Kapitalherabsetzung auf
    Null führte zu einem Untergang der Aktien und damit zu einem Verlust. Dadurch,
    dass zugleich das Bezugsrecht bei der Kapitalerhöhung ausgeschlossen wurde,
    verlor die Klägerin endgültig ihre Aktionärsstellung.

  • Das Gesetz regelt diesen Fall
    nicht ausdrücklich, sondern befasst sich mit dem Verlust aus einem Verkauf oder
    Einziehung der Aktien oder Einlösung von Wertpapieren, nicht aber mit der
    entschädigungslosen Einziehung von Aktien. Bei der entschädigungslosen
    Einziehung handelte es sich nicht um eine Veräußerung, da kein Entgelt gezahlt
    wurde und da die Aktien nicht auf einen Erwerber übergingen. Es handelte sich
    auch nicht um eine Einlösung; denn eine Einlösung setzt voraus, dass die
    Kapitalforderung erfüllt wird und dass das Wertpapier im Gegenzug zurückgegeben
    wird.

  • Die gesetzliche Lücke ist im
    Wege der Auslegung zu schließen und zwar dahingehend, dass die
    entschädigungslose Einziehung wie ein Verlust aus einem Verkauf behandelt wird,
    also steuerlich absetzbar ist. Diese Auslegung ist zulässig, weil die
    entschädigungslose Einziehung der Aktien erst im Jahr 2011 eingeführt wurde und
    deshalb dem Gesetzgeber bei Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009 noch nicht
    bekannt sein konnte. Der Fall der entschädigungslosen Einziehung ist nicht
    anders zu behandeln als die Veräußerung einer wertlos gewordenen Aktie mit
    Verlust kurz vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Hinweise: Nach dem BFH
kommt es nicht darauf an, ob ein Rechtsträgerwechsel hinsichtlich der Aktie
eingetreten ist. Eine solche Vorgabe würde nämlich dem
Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechen, da sowohl der Verkäufer einer wertlos
gewordenen Aktie als auch die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit gemindert
sind.

Das im Streitfall angewendete
Verfahren nennt sich „Debt-Equity-Swap”, bei dem ein Gläubiger auf
seine Forderungen verzichtet und dafür im Gegenzug an der Schuldnergesellschaft
beteiligt wird. Das Insolvenzrecht ermöglicht diese Umwandlung von Fremd- in
Eigenkapital („Debt-Equity-Swap”), indem es ein Bezugsrecht der
bisherigen Gesellschafter ausschließt; ansonsten könnten diese an der
Kapitalerhöhung teilnehmen und damit verhindern, dass der Gläubiger
Gesellschafter wird. Der Gläubiger kann aber nicht gegen seinen Willen zu einem
„Debt-Equity-Swap“ gezwungen werden.

Im Feststellungsbescheid der GbR
wird nun ein Verlust von 36.000 € festgestellt. Im Veranlagungsverfahren
der Gesellschafter wird dann entschieden, ob der auf den einzelnen
Gesellschafter entfallende Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
berücksichtigt wird oder bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, weil der
Gesellschafter mit mindestens 1 % an der AG und damit wesentlich beteiligt war.

Ein Verlust bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen kann nur mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen
verrechnet werden. Ab 1.1.2020 ist diese Verrechnung jährlich nur bis zur Höhe
von 10.000 € möglich; der verbleibende Betrag kann dann erst in den
Folgejahren – ebenfalls jährlich nur bis zu 10.000 € –
verrechnet werden.

BFH, Urteil vom 3.12.2019 –
VIII R 34/16; NWB

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