Ein Aufsichtsratsmitglied, das eine Festvergütung erhält, ist
umsatzsteuerlich mangels wirtschaftlichen Risikos kein Unternehmer und muss
daher keine Umsatzsteuer auf seine Vergütung abführen. Der Bundesfinanzhof
(BFH) hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, nach der
ein Aufsichtsratsmitglied Unternehmer ist.
Hintergrund: Umsatzsteuerlicher
Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig
ausübt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist bei der Umsatzsteuer – anders als bei
der Einkommensteuer – nicht erforderlich.
Sachverhalt: Der Kläger war
leitender Angestellter der S-AG und zudem Aufsichtsratsmitglied bei der D-AG,
einer Tochtergesellschaft der S-AG. Für seine Aufsichtsratstätigkeit erhielt er
eine jährliche Festvergütung von 20.000 €, die nach seinem
Arbeitsvertrag mit der S-AG an diese abzuführen war. Die D-AG erteilte dem
Kläger im Jahr 2013 eine Gutschrift für 2013 zuzüglich Umsatzsteuer und zahlte
den Bruttobetrag an den Kläger. Der Kläger widersprach der Gutschrift im Jahr
2014 und zahlte die Umsatzsteuer an die D-AG zurück. In der Folgezeit rechnete
die D-AG die Aufsichtsratsvergütung ohne Umsatzsteuer per Gutschrift ab. Der
Kläger gab die Aufsichtsratsvergütung in seiner Umsatzsteuererklärung zwar als
umsatzsteuerbaren Umsatz an, legte danach aber Einspruch ein und machte
geltend, dass die Vergütung nicht umsatzsteuerbar sei.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt, weil der Kläger als
Aufsichtsratsmitglied kein Unternehmer ist:
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Ein Aufsichtsratsmitglied übt bereits keine selbständige
Tätigkeit aus, wenn es für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats
– und nicht in eigenem Namen – handelt. Er wirkt nämlich nur an den
Beschlüssen des Aufsichtsrats mit. -
Zudem trägt das Aufsichtsratsmitglied auch nicht das
wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit, wenn er eine feste Vergütung ohne
variable Vergütungsbestandteile erhält. Als Aufsichtsratsmitglied bleibt seine
Vergütung auch bei fahrlässigem Handeln bestehen; ihn trifft bei fehlender
Sorgfalt nur eine aktienrechtliche Schadensersatzpflicht. -
Der Kläger schuldet Umsatzsteuer auch nicht aus der Gutschrift,
auch wenn er ihr erst im Folgejahr 2014 widersprochen hat. Eine Steuerschuld
wegen des unberechtigten Ausweises von Umsatzsteuer in einer Gutschrift kann
sich nur dann ergeben, wenn der Gutschriftempfänger tatsächlich eine Leistung
als Unternehmer erbracht hat. Der Kläger war aber nicht Unternehmer.
Hinweise: Bisher hat der BFH die
Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern bejaht, ohne dass es auf
die Einzelheiten der Ausgestaltung (Vergütung, Abführungspflicht) ankam. Hieran
hält der BFH nun nicht mehr fest. Vielmehr folgt der BFH der aktuellen
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der die Tätigkeit eines
Aufsichtsratsmitglieds als nicht unternehmerisch eingestuft hat, unabhängig von
der Abführungspflicht der Vergütung an den Arbeitgeber. Der BFH lässt offen, ob
eine Unternehmereigenschaft im Fall einer variablen Vergütung besteht.
BFH, Urteil v. 27.11.2019 – V R 23/19; NWB