Wird ein Grundstück unentgeltlich erworben, kommt es für die
Berechnung der zehnjährigen Spekulationsfrist auf den Zeitpunkt der Anschaffung
durch den vorherigen Erwerber an. Ein unentgeltlicher Erwerb liegt vor, wenn
kein Kaufpreis vereinbart wird und keine Verbindlichkeiten übernommen werden,
sondern lediglich die Grundschulden übernommen werden und dem bisherigen
Eigentümer ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht eingeräumt wird.

Hintergrund: Spekulationsgewinne
sind steuerpflichtig. Ein Spekulationsgewinn entsteht bei Immobilien, wenn die
Immobilie innerhalb von zehn Jahren angeschafft und mit Gewinn verkauft wird.
Der Spekulationsgewinn ist nicht steuerbar, wenn die Immobilie selbst genutzt
wurde.

Sachverhalt: Die Klägerin
erhielt am 27.10.2004 von ihrer Mutter ein mit einem Haupt- und einem
Nebengebäude bebautes Grundstück, das die Mutter im Dezember 1998 für
285.000 DM gekauft hatte. Die Klägerin musste keinen Kaufpreis an die
Mutter bezahlen, jedoch die im Grundbuch eingetragenen Grundschulden in Höhe
von 400.000 DM übernehmen; die Bankverbindlichkeiten, die den
Grundschulden zugrunde lagen und die bereits teilweise getilgt waren, wurden
von der Mutter fortgeführt. Außerdem trug die Klägerin für ihre Mutter und
deren Lebensgefährten ein lebenslanges Wohnrecht im Grundbuch ein.

Die Mutter wohnte anschließend mit ihrem Lebensgefährten im
Hauptgebäude, die Klägerin im Nebengebäude. Im September 2007 verkaufte die
Klägerin das Grundstück für 530.000 €. Von dem Kaufpreis tilgte die
Klägerin die Restdarlehen der Mutter in Höhe von ca. 265.000 €. Das
Finanzamt ging von einem Spekulationsgewinn von ca. 195.000 € aus. Dabei
ließ es den Teil des Spekulationsgewinns, der auf das von der Klägerin
selbstgenutzte Nebengebäude entfiel, steuerfrei.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Finanzamt Recht:

  • Die Klägerin hatte die Immobilie innerhalb der zehnjährigen
    Spekulationsfrist mit Gewinn veräußert. Zwar begann die Spekulationsfrist nicht
    mit dem Erwerb der Immobilie durch die Klägerin im Jahr 2004; denn die Klägerin
    hatte das Grundstück unentgeltlich erworben. Sie musste nämlich keinen
    Kaufpreis bezahlen und übernahm auch keine Darlehensverbindlichkeiten. Die
    Übernahme der Grundschulden stellte kein Entgelt dar, weil die Grundschulden
    nur die dingliche Sicherung für die Bankverbindlichkeiten waren, die von der
    Mutter weitergeführt wurden. Auch die Einräumung des Wohnrechts war kein
    Entgelt, sondern minderte lediglich den Wert des erworbenen Grundstücks.

  • Maßgeblich für den Beginn der Spekulationsfrist war damit der
    Kauf durch die Mutter im Dezember 1998. Da die Klägerin das Grundstück im
    September 2007 verkauft hat, ist der Verkauf innerhalb der zehnjährigen
    Spekulationsfrist, die im Dezember 2008 endete, erfolgt.

  • Der Spekulationsgewinn ist nicht um die von der Klägerin nach
    dem Verkauf geleisteten Tilgungen an die Bank zu mindern. Denn hierbei handelte
    es sich weder um nachträgliche Anschaffungskosten noch um Veräußerungskosten.
    Nachträgliche Anschaffungskosten lagen nicht vor, weil die Klägerin die
    Bankverbindlichkeiten nicht übernommen hatte und die infolge der Tilgung
    erfolgte Löschung der Grundschulden die Nutzungsbefugnis der Klägerin nicht
    erweiterte. Ebenso wenig lagen Veräußerungskosten vor, da die Tilgung der
    Bankverbindlichkeiten nicht durch die Veräußerung veranlasst war.

Hinweise: Der Spekulationsgewinn
war nicht steuerbar, soweit er auf das von der Klägerin bewohnte Nebengebäude
entfiel, das etwa 1/3 der Nutzfläche ausmachte. Eine Selbstnutzung, die dazu
führt, dass der Spekulationsgewinn nicht steuerbar ist, liegt auch dann vor,
wenn die Immobilie nur zeitweilig bewohnt wird, sofern sie in der übrigen Zeit
als Wohnung zur Verfügung steht. Auch Zweitwohnungen und Ferienwohnungen, die
nicht zur Vermietung bestimmt sind, sowie Wohnungen, die im Rahmen einer
doppelten Haushaltsführung beruflich genutzt werden, lösen bei Verkauf keinen
Spekulationsgewinn aus.

Die Tilgung der Bankverbindlichkeiten durch die Klägerin nach dem
Verkauf behandelte der BFH wie eine steuerlich unbeachtliche Verwendung des
Veräußerungserlöses.

BFH, Urteil v. 3.9.2019 – IX R 8/18; NWB

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