Eine Rücklage, die für einen Gewinn aus der Veräußerung eines
Grundstücks gebildet worden ist und diesen neutralisiert hat, ist
gewinnerhöhend aufzulösen, wenn sie auf ein neues Gebäude übertragen werden
soll und mit der Herstellung des neuen Gebäudes nicht bis zum Ablauf des
vierten Jahres nach Bildung der Rücklage begonnen worden ist.
Vorbereitungshandlungen wie die Beauftragung eines Architekten genügen noch
nicht für einen Herstellungsbeginn.
Hintergrund: Erzielt der
Unternehmer aus der Veräußerung eines Grundstücks einen Gewinn, kann er diesen
Gewinn von den Anschaffungskosten eines neuen Grundstücks abziehen. Er kann
dann für den Veräußerungsgewinn eine sog. Gewinnrücklage gewinnmindernd bilden
und diese Rücklage in einem späteren Veranlagungszeitraum innerhalb der
Reinvestitionsfrist von den Anschaffungskosten des neuen Grundstücks abziehen;
insoweit mindert sich die Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen auf das
neue Gebäude. Die Reinvestitionsfrist beträgt zwar in der Regel vier Jahre.
Will der Unternehmer die Rücklage aber auf ein neu hergestelltes Gebäude
übertragen, beläuft sich die Reinvestitionsfrist auf sechs Jahre; allerdings
muss der Unternehmer dann mit der Herstellung vor dem Schluss des vierten
Jahres nach der Bildung der Rücklage begonnen haben. Wird keine Reinvestition
durchgeführt, ist die Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen und um einen
Gewinnzuschlag von 6 % pro Jahr zu erhöhen.
Sachverhalt: Der Kläger war
bilanzierender Unternehmer und hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1.7.
bis zum 30.6. Er veräußerte im Wirtschaftsjahr 2004/2005 ein Gebäude mit Gewinn
und bildete für diesen Gewinn eine Rücklage zum 30.6.2005. Der Kläger wollte
die Rücklage auf ein neu herzustellendes Gebäude übertragen. Hierfür
beauftragte er im Mai 2009 einen Architekten, der bis zum 30.6.2009 66,5
Stunden für die Vor- und Entwurfsplanung in Rechnung stellte. Der Bauantrag
wurde am 15.6.2010 gezeichnet und eine Woche später eingereicht. Ab dem
1.7.2009 war der Architekt noch 125,5 Stunden tätig. Das Finanzamt löste die
Rücklage zum 30.6.2009 gewinnerhöhend auf und erhöhte den Gewinn um einen
Zuschlag von 6 % für vier Jahre, insgesamt 24 %.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
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Der Kläger hat nicht bis zum 30.6.2009 mit der Herstellung des
neuen Gebäudes begonnen. Ein Herstellungsbeginn ist zu bejahen, wenn das
konkrete Investitionsvorhaben „ins Werk gesetzt“ ist. Ein Indiz
hierfür ist die Stellung des Bauantrags; allerdings ist dies nicht zwingend.
Ein Vertragsabschluss, der der bloßen Entwurfsphase zuzurechnen ist, genügt
jedenfalls nicht. -
Der Kläger hat zum 30.6.2009 lediglich mit
Vorbereitungsmaßnahmen begonnen. So ist der Architekt lediglich im Umfang von
66,5 Stunden tätig geworden, und es ist nur mit dem Aufmaß des Gebäudebestands,
Vorplanungen und Vorbesprechungen begonnen worden.
Hinweise: Die Höhe des
Gewinnzuschlags von 6 % pro Jahr, in dem die Rücklage bestanden hat, hält der
BFH für verfassungsgemäß. Zwar ist der Zinssatz für Steuernachzahlungen von 6 %
derzeit verfassungsrechtlich umstritten, weil er deutlich über den aktuellen
Zinssätzen liegt. Im Streitfall ging es aber um einen Gewinnzuschlag für den
Zeitraum 2005 bis 2009, als die Deutsche Bundesbank den Abzinsungssatz noch mit
4,3 % ansetzte.
Das Urteil macht deutlich, dass mit der Reinvestition rechtzeitig
begonnen werden muss, um die vierjährige Reinvestitionsfrist bzw. die
vierjährige Frist für den Beginn der Gebäudeherstellung einzuhalten.
BFH, Urteil v. 9.7.2019 – X R 7/17; NWB