Erfasst das Finanzamt den Arbeitslohn, der vom Arbeitgeber in
elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen dem Finanzamt mitgeteilt worden ist,
nicht in voller Höhe, kann es den Bescheid später zuungunsten des Arbeitnehmers
ändern. Die Änderung ist möglich, obwohl die unvollständige Erfassung des
Arbeitslohns im bisherigen Bescheid auf einem Fehler des Finanzamts beruht.
Hintergrund: Ein
bekanntgegebener Bescheid kann nur noch dann geändert werden, wenn es eine
Änderungsvorschrift gibt. Eine Änderung ist
z.B. zulässig, soweit von einer mitteilungspflichtigen Stelle (z.B.
Arbeitgeber, Krankenversicherung) Daten an das Finanzamt elektronisch
übermittelt wurden und diese Daten vom Finanzamt nicht oder nicht zutreffend
berücksichtigt wurden.
Sachverhalt: Der Kläger war
Arbeitnehmer. Sein Arbeitgeber übermittelte dem Finanzamt zwei
Lohnsteuerbescheinigungen für zwei Zeiträume im Jahr 2018, aus denen sich ein
Arbeitslohn für den Zeitraum Januar bis August 2018 in Höhe von ca. 34.000
€ und für Dezember 2018 in Höhe von ca. 3.000 € ergab. In dem
Betrag von 34.000 € war eine tarifbegünstigte Entschädigung von 9.000
€ enthalten. Im Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 25.9.2019 setzte
das Finanzamt einen Arbeitslohn von 28.000 € an (34.000 € – 9.000
€ + 3.000 €). Von dem zu versteuernden Einkommen, in dem der
Betrag von 28.000 € enthalten war, besteuerte das Finanzamt einen
Teilbetrag von 9.000 € ermäßigt.
Am 20.5.2021 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für
2018 und setzte nunmehr einen Arbeitslohn von 37.000 € an (34.000
€ + 3.000 €); hiervon besteuerte es einen Teilbetrag von 9.000
€ ermäßigt. Hiergegen wehrte sich der Kläger.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
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Die Voraussetzungen einer Änderungsnorm waren erfüllt. So darf
das Finanzamt einen Bescheid ändern, soweit von einer mitteilungspflichtigen
Stelle Daten an das Finanzamt elektronisch übermittelt wurden und vom Finanzamt
nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. -
Im Streitfall hat der Arbeitgeber als mitteilungspflichtige
Stelle elektronische Lohnsteuerbescheinigungen an das Finanzamt übermittelt,
und das Finanzamt hat die Daten im Erstbescheid vom 25.9.2019 nicht zutreffend
berücksichtigt; denn das Finanzamt hat den Arbeitslohn zunächst um 9.000
€ gemindert, anstatt bei der Anwendung des Steuersatzes einen Teilbetrag
von 9.000 € tarifbegünstigt zu besteuern. -
Es kommt nicht darauf an, worauf die
unzutreffende Berücksichtigung der übermittelten Daten
beruht. Die Änderungsnorm verlangt weder einen Schreib- oder
Rechenfehler des Steuerpflichtigen noch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht
durch den Steuerpflichtigen. Es spielt auch keine Rolle, ob das Finanzamt die
Tatsachen falsch gewürdigt, das Recht fehlerhaft angewendet oder aber einen
mechanischen Fehler wie z.B. einen Schreib- oder Rechenfehler begangen hat. -
Es ist nicht geboten, die Änderungsnorm einschränkend
auszulegen; denn der Gesetzgeber wollte eine umfassende Korrektur ermöglichen,
wenn es im steuerlichen Massenverfahren zu Fehlern bei der Übernahme
elektronisch übermittelter Daten kommt. Hinzu kommt, dass der Kläger in der
Anlage N den Arbeitslohn auch nicht richtig angegeben hatte; denn er hatte die
Entschädigung in Höhe von 9.000 € zu Unrecht aus dem Gesamtarbeitslohn
herausgerechnet und gesondert angegeben.
Hinweise: Zwar hatte das
Finanzamt in dem Änderungsbescheid eine fehlerhafte Korrekturnorm angegeben.
Dies führte jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des Änderungsbescheids, weil die
Angabe der Korrekturnorm nur eine Begründung darstellt und eine fehlerhafte
Begründung den Bescheid nicht fehlerhaft macht, wenn eine andere Änderungsnorm
existiert, die die Änderung rechtfertigt.
Das aktuelle Urteil erweitert die Korrekturmöglichkeiten für das
Finanzamt erheblich, wenn es zu einem Fehler bei der Umsetzung elektronisch
übermittelter Daten wie z.B. dem Arbeitslohn, den Renten oder den
Krankenversicherungsbeiträgen gekommen ist. Denn es kommt nicht darauf an,
weshalb es zu einem Fehler gekommen ist. Im Streitfall war es daher irrelevant,
dass sich das Finanzamt bei der Besteuerung des Arbeitslohns verrechnet hat.
Die gute Nachricht für die Steuerpflichtigen ist aber, dass auch eine Änderung
zugunsten des Steuerpflichtigen künftig leichter herbeigeführt werden kann,
wenn es – aus welchen Gründen auch immer – bei der Berücksichtigung
elektronisch übermittelter Daten zu einem Fehler zuungunsten des
Steuerpflichtigen gekommen ist und die Einspruchsfrist bereits abgelaufen ist.
Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2024 – IX R 20/23; NWB